Jung und angeblich faul? Was wirklich hinter der Debatte steckt

Was unterscheidet die Gen Z von ihren Vorgänger:innen?

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Maria Knaus Maria Knaus, 11.12.2025  |  Lesedauer: 3 Minuten

Jung und angeblich faul? Was wirklich hinter der Debatte steckt

Die Diskussion ist kaum zu überhören: Haben junge Menschen heute wirklich keine Lust mehr zu arbeiten? Während ältere Generationen – vor allem die Babyboomer – häufig von fehlender Motivation berichten, beschreibt die Generation Z ein völlig anderes Bild. Für sie hat sich die Arbeitswelt grundlegend verändert: neue Belastungen, neue Erwartungen, ein völlig anderer Arbeitsmarkt.

Vorwürfe vs. Realität

In Straßenumfragen heißt es gern, junge Leute seien unpünktlich, wenig belastbar oder hätten einfach keinen Bock auf Verantwortung. Doch viele aus der Gen Z betonen, dass es nicht um Faulheit gehe, sondern um etwas anderes: Sie wollen ihr Leben nicht komplett der Arbeit unterordnen. Themen wie mentale Gesundheit, Überlastung und Work-Life-Balance spielen für sie eine größere Rolle als früher. Viele schildern, dass sie in ihrem Umfeld immer häufiger Burnouts beobachten und genau das vermeiden wollen.

Ein Beispiel aus der Praxis

Die 27-jährige Gesundheits- und Krankenpflegerin Leonie Hesse berichtet etwa, dass Vollzeit für sie langfristig nicht tragbar gewesen sei, weder körperlich noch psychisch. Sie wechselte deshalb früh in Teilzeit. Seitdem fühle sie sich deutlich stabiler, habe wieder Zeit für Freundschaften und trainiere sogar wieder intensiv für Tanzmeisterschaften, auch wenn das finanziell spürbare Einbußen bedeutet.

Der Generationskonflikt

Journalistin Simone Schmollack beschreibt in einer Kolumne, dass junge Bewerber*innen heute sehr klare Vorstellungen äußern, vor allem, wenn es um Arbeitszeiten und Freizeit geht. Für viele Arbeitgeber sei das erst einmal irritierend. Auch Personalvermittler Klaus Hansen beobachtet, dass sich Prioritäten verschieben: Die Gen Z sei leistungsbereit, setze aber klare Grenzen, fordere mehr Feedback und interessiere sich stärker dafür, welchen Sinn eine Tätigkeit eigentlich hat.

Zahlen, die den Trend bestätigen

Der Blick in Studien zeigt, dass dieser Wandel kein Einzelfall ist:

  • 2019 gaben 41 Prozent der Erwerbstätigen an, sie würden auf Lohnarbeit verzichten, wenn es möglich wäre.
  • 2022 waren es bereits 56 Prozent.
  • Besonders bei Jüngeren verliert Arbeit an Bedeutung: 2020 sagten noch 69 Prozent, sie könnten sich ein Leben ohne Beruf nicht vorstellen; 2022 waren es nur noch 58 Prozent.

Warum können sich Junge heute mehr erlauben?

Ökonom Marcel Fratzscher spricht in diesem Zusammenhang von einer „Zeitenwende“. Deutschland hat sich vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt entwickelt, also zu einem Markt, in dem Unternehmen auf Arbeitskräfte angewiesen sind, nicht umgekehrt.

Der Hintergrund:

  • Die Beschäftigung liegt auf Rekordniveau: 45,6 Millionen Erwerbstätige (zum Vergleich: 38,9 Millionen im Jahr 1991).
  • Gleichzeitig gibt es fast zwei Millionen offene Stellen.
  • Und: Durch sinkende Geburtenzahlen rücken immer weniger Fachkräfte nach. Ohne Zuwanderung könnte die Zahl der Erwerbspersonen bis 2035 von aktuell rund 46 auf etwa 39 Millionen sinken.

Das Ergebnis: Beschäftigte haben heute mehr Macht, können Angebote ablehnen und bessere Bedingungen verlangen. Besonders sichtbar ist das in gefragten Berufsgruppen wie der IT. Dort setzen Fachkräfte, wie etwa Data Scientist Manuel Heeg, selbstbewusst ihre Vorstellungen von Gehalt und Arbeitszeiten durch.

Ein Muster, das sich wiederholt

Interessant: Schon in den 1960er-Jahren, ebenfalls einer Phase des Arbeitnehmermarkts, klagten Ältere über angeblich faule Jugendliche. Damals wie heute zeigt sich, dass solche Debatten besonders dann aufflammen, wenn Arbeitskräfte knapp sind und traditionelle Strukturen ins Wanken geraten.

 

 

 

Quellen:

 https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama/archiv/2023/panorama17908.pdf

https://www.ardaudiothek.de/episode/urn:ard:episode:5ba1462201de834a/

https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/3-mio-arbeitslose-moeglich-jung-und-arbeitslos-was-auf-dem-jobmarkt-gerade-schieflaeuft

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Maria Knaus

UNICUM-Autor/-in seit 2025

Die Vorstellung von einer faulen Jugend greift zu kurz. Die Gen Z arbeitet nicht weniger gern, sie arbeitet anders. Sie setzt Grenzen, fordert faire Bedingungen und nutzt die neue Stärke eines Arbeitsmarkts, der auf sie angewiesen ist. Wie lange dieser Zustand anhält, bleibt offen. Sicher ist nur: Arbeitnehmermärkte gab es schon früher, und sie dauern nie ewig.

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