
Ein Wust an Bewerbungen, tagaus, tagein – und immer die gleichen, langweiligen Anschreiben. Wie tickt so ein Recruiter, was weckt sein Interesse? UNICUM BERUF zeigt, wie man mit dem ersten Blatt der Bewerbung einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt.
Text: Petra Nickels-Lauterbach
Ein 32-jähriger Jurastudent stand vor dem Aus. Examen nicht bestanden, außer einer Banklehre und Aushilfsjobs in einer Bank während der Semesterferien keine Berufserfahrung. Mit dem Rücken zur Wand musste er sich dem Bewerbungsprozess stellen. Sein Ziel: Die Festanstellung in einer Bank. Obwohl, oder vielleicht gerade weil es eine Menge Bewerbungsliteratur und –tipps gibt, stehen viele Bewerber immer noch ratlos vor ihrer größten Herausforderung: der gelungenen und interessanten Selbstpräsentation. „Ich lese schon gar keine Anschreiben mehr und gehe gleich zu den Lebensläufen über“, sagt eine Personalverantwortliche einer großen deutschen Bank. „Doch auch diese sind häufig zu knapp und unstrukturiert“, ergänzt sie. Wer allerdings jetzt meint, es kommt auf aussagefähige Anschreiben gar nicht an, vergibt sich eine große Chance, nämlich aus der Masse der Bewerber positiv herauszustechen.
5 Tipps für das Anschreiben:
- Die Motivation für die Bewerbung
Stellen Sie sich vor, Sie blättern am Samstag durch den Stellenmarkt. Ihnen fallen auf Anhieb fünf interessante Stellen auf. Am Sonntag wollen Sie herfür in Ruhe Bewerbungen schreiben. Doch jetzt sind zwei Angebote auf einmal nicht mehr so interessant. Was unterscheidet die restlichen drei, auf die Sie sich jetzt bewerben wollen? Was ist das Besondere an diesen Ausschreibungen? Was spricht Sie an diesen Stellenangeboten an? Schauen Sie sich auch die Internetseite der Firma an? Was finden Sie hier besonders interessant? Machen Sie ein Brainstorming und beantworten diese Fragen in Stichworten. Finden Sie Schnittmengen zwischen sich als Bewerber und der Firma als potentiellem Arbeitgeber. Nehmen Sie eine kleine Auswahl von maximal zwei Gründen für Ihre Bewerbung vor. Genau hierauf kommt es an! Denke Sie dabei in den Köpfen der Unternehmen! Ist es für die Firma interessant, dass Sie ihren potentiellen neuen Arbeitsplatz in 20 Minuten erreichen können oder dass die beschriebene Firmenphilosophie zu Ihrer persönlichen Einstellung passt. Haben Sie die Argumente für Ihre Bewerbungsmotivation gefunden, formulieren Sie Einleitungssätze, mit denen Sie Ihr Anschreiben beginnen.
- Passgenaue Darstellung der aktuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten
Passgenau und aktuell, das sind die Stichworte, auf die es jetzt ankommt. Viele Bewerber beginnen bei Adam und Eva und beschreiben, wie sie ihre Berufslaufbahn begonnen haben. Das kommt jedoch erst an zweiter oder dritter Stelle. Um beurteilen zu können, dass Sie der geeignete Bewerber sind, interessieren sich Unternehmen dafür, was Sie jetzt, heute als Fähigkeiten mitbringen. Häufig präsentieren Bewerber sich auch zu allgemein und gehen nicht auf das beschriebene Anforderungsprofil ein.
Tipp: Markieren Sie alle besonderen Fachfähigkeiten und gehen Sie im zweiten Absatz Ihres Anschreibens näher darauf ein. Kommen Sie also schnell zum wesentlichen Kern des Anschreibens. Selbst, wenn Sie noch weitere Fähigkeiten haben, lassen Sie diese hier weg. So behalten Sie noch etwas Munition für das angestrebte Interview. Achten Sie auch auf die Reihenfolge der geforderten Fähigkeiten. Diejenigen, die zuerst erwähnt werden, sind auch die wichtigsten! Führen Sie am Ende eine Selbstkontrolle durch. Sind Sie wirklich auf die wichtigsten eingegangen?
- Darstellung der relevanten Persönlichkeitseigenschaften
Zu dem Anforderungsprofil gehören neben den Fachfähigkeiten auch die Persönlichkeitseigenschaften. Viele Bewerber verzichten, darauf einzugehen. Dabei tragen diese Eigenschaften erheblich dazu bei, eine Aufgabe gut auszufüllen. Und viele Unternehmen legen Wert auf sozial-kompatible Mitarbeiter, die gut kommunizieren, sich schnell in ein Team integrieren, kundenorientiert sind, etc. Welche Persönlichkeitseigenschaften, neudeutsch Softskills, sind in der Ausschreibung gefordert? Wie haben Sie diese in Ihrem Berufsleben bereits unter Beweis gestellt? Wie tragen diese zu Ihrem beruflichen Erfolg bei? Auf welche legen Sie selber großen Wert?
Tipp: Stilistisch gut gelungen ist Ihre Bewerbung, wenn es Ihnen gelingt, Ihre Fachfähigkeiten direkt mit Softskills in Verbindung zu bringen. Nutzen Sie die Absätze zwei und drei für eine gelungene, passgenaue Darstellung der geforderten Fähigkeiten, sowohl der fachlichen als auch der persönlichen.
- Nutzenargumentation
Spätestens im interview können Sie mit der Frage konfrontiert werden: Warum sollten wir Sie einstellen? Nehmen Sie die Frage einfach vorweg und geben hier eine Antwort. Auf welchen Nutzen legen Unternehmen Wert? Nutzen bedeutet immer, dass ein Unternehmen mehr von etwas oder weniger von etwas haben möchte: also mehr Qualität, Umsatz, Kunden, etc. oder weniger Reklamationen, Fehlerquote, Arbeitsaufwand, etc. Wozu können Sie beitragen? Geben Sie hierauf im vierten Absatz eine kurze Antwort.
- Freundlicher Abschluss
Am Ende dieses Anschreibens, das jetzt nicht mehr mit einem Standardanschreiben gemeinsam hat, verlangt der Leser keine literarischen Höhepunkte mehr von Ihnen. Ein freundlicher Abschluss verbunden mit dem Wunsch, mehr in einem Interview zu berichten, ist völlig ausreichend. Der Ex-Jurastudent hat es nach nur drei Bewerbungen geschafft. Und er überzeugte im Einstellungsinterview mit seiner spontanen Reaktion auf die Frage: Wenn Sie über sich und Ihre Kompetenzen ein Bild malen würden, wie würde das aussehen?


