Krankschreibung wegen psychischer Belastung?

Hannah Essing - 09.12.2019

Psychische Gründe für eine Krankschreibung

Jeder zehnte Fehltag geht auf eine psychische Belastung zurück und führt zur Krankschreibung. | Foto: Unsplash/Eutah Mizushima

"Ich kann nicht glauben, dass das nicht überall Standard ist"

Wie so oft fing alles mit einem Tweet an: Auf Twitter teilt Web-Entwicklerin Madalyn Parker aus den USA einen E-Mail-Verlauf mit dem CEO ihrer Firma. In einer Mail an ihre Kolleg'innen und den CEO erklärte sie, dass sie sich den Rest der Woche frei nimmt, um sich auf ihre mentale Gesundheit zu konzentrieren und nächste Woche erfrischt wieder da sein zu können. Daraufhin antwortete ihr CEO ihr ganz persönlich, um sich für ihre Ehrlichkeit zu bedanken und wie sie ihn immer wieder daran erinnert, dass es auch wichtig ist, sich für seine mentale Gesundheit krankschreiben zu lassen. Damit wäre sie nicht nur ein Beispiel für andere, sondern würde auch helfen das Stigma gegen psychische Erkrankungen zu bekämpfen.

Krankschreibung wegen psychischer Belastung: Wie lange geht das in Deutschland?

Auch in Deutschland sind Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen keine Seltenheit. In ihrem Fehlzeiten-Report von 2016 hat die Krankenkasse AOK festgestellt, dass jeder zehnte Fehltag (10,5 Prozent) darauf zurückgeht. Im Durchschnitt fehlten Mitglieder der Krankenkasse 2,8 Tage im Jahr wegen einer psychischen Belastung. 

Solltest du aufgrund einer psychischen Erkrankung krankgeschrieben werden, ist diese natürlich nicht nach ein paar Tagen auskuriert. Viele machen sich bei so einer Erkrankung direkt Sorgen um ihren Job. Als Arbeitnehmer kannst du jedoch bis zu sechs Wochen im Jahr krankgeschrieben werden, ohne dass dir direkt eine Kündigung droht. In diesem Fall bist du auch nicht dazu verpflichtet, den wahren Grund deiner Krankschreibung mitzuteilen, nur wenn die Erkrankung durch betriebliche Gründe verursacht wurde. Wirst du als langzeiterkrankt eingestuft, bist du gemäß des deutschen Arbeitsrechts für eineinhalb Jahre durch die Lohnfortzahlung und dein Krankengeld abgesichert.

Psychische Belastung in Unternehmen

Wie die taz berichtete, ist dies beispielsweise auch bei Amazon ein Problem. Die Mitarbeiter sind stundenlanger monotoner Arbeit ausgesetzt und überdurchschnittlich viele Mitarbeiter leiden an psychischen Erkrankungen. Amazon tut dagegen allerdings nichts – sondern verteilt nur Gesundheitsprämien, damit die Leute weiterhin zur Arbeit kommen. Bei vielen Unternehmen ist das allerdings anders und sie haben erkannt, dass es wichtig ist, betroffenen Mitarbeitern zu helfen, um gegebenenfalls Rahmenbedingungen zu ändern und Lösungen zu finden. "Viele Unternehmen bieten inzwischen betriebliches Gesundheitsmanagement und in diesem Rahmen auch eine psychologische Beratungshotline an.", erklärt Dr. Petra Bernatzeder, geschäftsführende Gesellschafterin von upgrade human resources GmbH. Für Bewerber, die auf den richtigen Umgang mit mentaler Gesundheit achten, können solche Angebote gute Indikatoren sein, meint die Diplom-Psychologin. 

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Psychische Belastung: Prävention statt Schadensbegrenzung

"Es gibt inzwischen auch viele Führungskräfte, die geschult werden, damit sie Signale von Überlastung feststellen können. Ziel ist es, mit betroffenen Mitarbeitern zu sprechen und damit Barrieren abzubauen, professionelle Hilfe anzunehmen.", so Dr. Bernatzeder. Bei mentalen Problemen gilt das Gleiche wie bei körperlichen: Dauert die Fehlzeit länger an als drei Tage, braucht der Arbeitnehmer eine Krankschreibung von einem Arzt. "Diese wird bei jeder Erkrankung ohne inhaltliche Begründung dem Arbeitgeber vorgelegt. Arbeitsrechtlich ist es nicht möglich, den genauen Grund für die Krankschreibung zu erfragen." So ist gewährleistet, dass eine zusätzliche Stigmatisierung aufgrund mentaler Probleme nicht passieren kann. "Denn natürlich ist dieses Thema für viele Unternehmen noch ein Tabu.", meint Dr. Bernatzeder.

Ein völliges Umdenken ist es, was viele Unternehmen und Menschen brauchen. "Ich finde es wichtig, dass eine Prävention-Mentalität entsteht. Es ist wie beim Zahnarzt. Früher ist man nur hingegangen, wenn man Schmerzen hatte, heute geht man regelmäßig präventiv hin. Mit der Psyche ist es genauso. Wir haben viele Stress-Faktoren und leider auch noch kein Schulfach, in dem Stressmanagement und mentale Gesundheit behandelt werden", erklärt Dr. Bernatzeder. "Wir brauchen eine Art 'Handwerkskoffer', mit dem wir den akuten Stress-Pegel senken und Dauer-Belastungen reduzieren. Wenn wir den nicht haben, passiert es, dass wir in 'Hamsterrädern' landen und daraus folgen oft Überforderung und psychische Erkrankungen. Mein Anliegen ist es, den Weg zu bereiten, damit Menschen lernen, wie sie mit Stress anders umgehen können. Dafür muss man aber auch die Aufmerksamkeit für sich selbst zu einer besonderen Priorität machen."

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